Alleinstehende in China


Der online Einkaufswahn am Tag der Singles hat den Fokus von meinem letzten Beitrag etwas verrückt, so dass die eigentlichen Protagonisten des Tages erst dieses Mal zum Zuge kommen: China zählte letztes Jahr 180 Millionen Singles im Alter zwischen 18 und 34 Jahren. Die Anzahl der Alleinstehenden wird noch zunehmen, da man nun tendenziell etwas später heiratet, und die Ehen früher geschieden werden.

Die Urbanisierung trägt auch dazu bei, dass die traditionelle Heiratsvermittlung nicht mehr gut funktioniert: viele Verwandte und Freunde können einem nämlich keine verlässliche Heiratspartner mehr vorstellen, da sie nicht mehr nahe bei einander wohnen. Dafür gibt es heute viele online Plattformen, wo man den Partner fürs Leben finden kann und mannigfaltige Datingshows im Fernsehen. So gibt es Datingshows für jüngere und ältere Generationen oder auch Geschiedene. Bei einer Show werden gar die Mütter eingeladen, die beim Partnerwahl ihrer Söhne und Töchter ein Wörtchen mitzureden haben. Dies reflektiert auch, dass die Eltern immer noch eine Rolle spielen, wenn es um die Partnerwahl ihrer Kinder geht. Der Druck auf die Unverheirateten wird dadurch zusätzlich erhöht, nebst dass von Männern oft der Besitz von Heim und Auto erwartet wird und unverheiratete Frauen gegen dreissig bereits als alt oder schwierig gelten. Die Partnerwahl ist aber bei einem Land wie China wesentlich vielschichtiger durch die Unterschiede zwischen Reich und Arm oder Gebildet und Ungebildet. Einen Einblick in die Welt der alleinstehenden Verlierer dieser Gesellschaft gibt der Dokumentarfilm ‹Guanggunr› 光棍 (Einsame Stöcke oder Junggesellen) vom jungen Regisseur Hao Jie 郝杰 aus dem Jahre 2011. Er zeichnet das Leben von verschiedenen alleinstehenden Männern in einem Dorf in Nordchina auf. Der Film ist äusserst sehenswert, auch wenn das verwöhnte Auge sich zuerst an eine ganz andere Welt gewöhnen muss…

Youtube Video: 光棍儿